Vom Schlafen und Träumen
Wie Hans Castorp sein Zeitgefühl verliert – und die Besucher:innen ihm in seine Traumwelten folgen können
Zweier-Zimmer, Sanatorium Schatzalp
Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Unbekannt / Ans_05412-012-AL / Public Domain Mark
„Gott, ist noch immer der erste Tag?“, fragt Hans Castorp verwirrt seinen Vetter Joachim. „Mir ist ganz, als wäre ich schon lange – lange bei Euch hier oben.“ Keine 24 Stunden nach seiner Ankunft in Davos hat Castorp bereits sein Zeitgefühl verloren.
In den folgenden Wochen, Monaten und Jahren taucht er tief ein die abgeschlossene Atmosphäre der Kuranstalt. Er gerät mehr und mehr in eine Welt der Träume und ungeahnten Möglichkeiten: Verbringt eine Liebesnacht mit einer geheimnisvollen Mitpatientin. Spinnt tiefe Gedanken über den Tod und das Wesen des Menschen. Verfolgt über Jahre die erregten Diskussionen zweier Intellektueller, schult seinen Geist an ihren Reden.
In der Ausstellung dürfen Sie, die Besucherinnen und Besucher, Hans Castorp in das Reich seiner Träume folgen. Nach einer Einführung in Thomas Manns Arbeit am „Zauberberg“ durchschreiten Sie eine Tür – und können an der Schwelle mit dem jungen Ingenieur symbolisch „einschlafen“. Sie geraten zunächst in einen Tiefschlaf, der für Tod und Vergänglichkeit steht – erschrecken Sie also bitte nicht, wenn Sie auf einen Sarg stoßen (und denken Sie an Hans Castorp, für den ein Sarg „ein geradezu schönes Möbel“ ist).
Danach folgen drei Phasen des leichten Schlafs, in denen Sie nacheinander in Träume versinken von Liebe und Rausch, vom Sinn des Lebens und von Staat und Politik. Am Ende „erwachen“ Sie wie unser Hamburger Held mit einem Donnerschlag: Während der junge Mann vom Zauberberg auf die Schlachtfelder des 1. Weltkriegs gerissen wird und dort vermutlich stirbt, müssen wir uns mit den immer neuen Krisen und Kriegen unserer Zeit auseinandersetzen.