Tuberkulose: Das verklärte Leiden
Eine Seuche der Armen wird zur Krankheit der Feingeister und Ästheten
Floride, kavernisierende Tuberkulose
Quelle: Commons Wiki, Hellerhoff
Die Tuberkulose ist keine Krankheit wie jede andere. Kaum eine Seuche ist so sehr mit Fantasien und Klischees aufgeladen wie die Lungenkrankheit, die seit tausenden von Jahren die Menschen begleitet.
Besonders im 19. Jahrhundert wird die Schwindsucht, wie man sie auch nennt, zu einem Leiden der Ästheten und Intellektuellen verklärt. Auch Hans Castorp hat dieses Konzept offensichtlich im Kopf, als er mit Blick auf seine fürchterlich ungebildete Mitpatientin Frau Stöhr erklärt: „Man denkt, ein dummer Mensch muß gesund und gewöhnlich sein, und Krankheit muß den Menschen fein und klug und besonders machen.“
Dass Tuberkulose damals häufig mit Empfindsamkeit und Sensibilität assoziiert wird, hat auch damit zu tun, dass sie vor allem die Lunge angreift. Denn sie gilt als ein reineres Organ als etwa Blase, Darm und Speiseröhre. Darauf spielen die Schriftstellerbrüder Goncourt in einem ihrer Romane an und nennen die Tuberkulose „diese Krankheit der vornehmen und edlen Teile des Menschen“. Auch soll der Tod durch Schwindsucht ein leichter sein, ein sanftes Dahinschwinden – so eine weitere Vorstellung der Zeit.
In Thomas Manns Roman werden solche Mythen subtil unterlaufen. So sterben im Sanatorium Berghof sowohl Kluge als auch Dumme einen schrecklichen Tod. Und auch Hans Castorp steckt sich mit dem Bakterium an, obwohl er sicher nicht zu den Feingeistern zählt.
Dabei ist es nicht die in den Davoser Sanatorien versammelte Oberschicht Europas, die am meisten unter der Seuche zu leiden hat, sondern die Armen. So sterben in Berlin um 1880 bis zu drei Mal so viel Arbeiter an Tuberkulose wie Beamte und Offiziere.